Software-Update : Mercedes verhängt Lieferstopp für Dieselmodelle

© Daimler AG

Viele Kunden, die einen neuen Mercedes-Benz bestellt haben, dürften in den nächsten Tagen eine böse Überraschung erleben: Ihr Händler wird ihnen mitteilen, dass das neue Auto zwar fertig ist und möglicherweise auch schon auf seinem Hof steht. Den Schlüssel dürfen die Kunden aber erst einmal nicht in die Hand bekommen. Der Grund: Mercedes-Hersteller Daimler hat einen Auslieferungsstopp für einzelne Diesel-Modelle verhängt. Betroffen sind Neuwagen vor allem der Klassen A, B und C mit Vier-Zylinder-Motoren, die bis Ende Mai produziert wurden.

Software nicht mehr in Schuss

In einer internen Mitteilung, die die Konzernzentrale laut Funke Mediengruppe am Freitagnachmittag an alle Mercedes-Benz-Händler verschickt hat, heißt es: „Wir untersagen Ihnen, die betroffenen Fahrzeuge zuzulassen oder an Kunden auszuliefern, bis eine entsprechende Abhilfe in den Servicebetrieben verfügbar und an den Fahrzeugen umgesetzt ist.“ Zuerst müsse ein Software-Update an Fahrzeugen durchgeführt werden, die einen Diesel-Motor nach der Norm Euro 6b enthalten.

Begründet wird der Auslieferungsstopp mit einer „möglichst schnellen und effektiven Verbesserung der Emissionen im realen Fahrbetrieb“. Wann die Fahrzeuge an die Kunden gehen ist indes völlig unklar. Experten gehen davon aus, dass die Nachbesserung eher mehrere Monate als wenige Wochen dauern wird. Das Kraftfahrtbundesamt muss die neue Software zuerst genehmigen.

Mehrere Motoren-Typen betroffen

Der CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer und das Kraftfahrtbundesamt werfen Daimler vor, die Abgasreinigung bei einigen Dieselmotoren zu manipulieren. Eine illegale Abschalteinrichtung soll dafür sorgen, dass im normalen Betrieb mehr giftige Stickoxide aus dem Auspuff kommen als erlaubt ist und auch als technisch möglich wäre.

Vor zwei Wochen musste Daimler-Chef Dieter Zetsche deshalb zum Rapport bei Scheuer antreten. Damals vereinbarten beide Seiten den Rückruf von rund 240 000 Fahrzeugen in Deutschland. In ganz Europa werden 770 000 bereits zugelassene Mercedes-Autos davon betroffen sein. In der Luft schwebt seitdem ein Ordnungsgeld von 5000 Euro pro Auto.

Zunächst richtete sich der Verdacht der Manipulation nur auf 5000 Exemplare des Kleintransporters Vito. Inzwischen – das beweist dieser Auslieferungsstopp – geht es um fast die ganze Palette der Mercedes-Dieselmotoren. Konkret betrifft der Auslieferungsstopp ein Modell der C-Klasse, in das ein Vier-Zylinder-Diesel mit 1,6 Liter Hubraum eingebaut ist. Ebenfalls betroffen ist ein Motor mit der Bezeichnung OM651. Er ist in den Modellen CLA, GLA, GLE sowie der A- und B-Klasse verbaut. Außerdem geht es um einen Sechs-Zylinder-Diesel, der in den Geländewagen der G-Klasse steckt.

Der nun verhängte Lieferstopp ist eine direkte Folge der Gespräche zwischen Minister und Konzernchef. Er geschehe „in Erwartung eines potenziellen Rückrufs“, heißt es in der internen Daimler-Mitteilung. Ein Konzernsprecher bestätigte dies und versuchte, die Bedeutung zu relativieren: „Nach einer ersten Einschätzung beträgt die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge in Deutschland einige Hundert.“ Es handele sich um noch nicht ausgelieferte Neuwagen, die bis Ende Mai produziert wurden und nur die Abgasnorm Euro 6b erfüllen.

Gang vor Gericht kommt in Betracht

Wie viele Fahrzeuge der betroffenen Modelle und Motoren aber bereits auf den Straßen fahren, teilte Daimler nicht mit. Die Fahrzeuge, die seit Anfang Juni – also erst seit drei Wochen – gebaut werden, sollen korrekt die Norm Euro 6c einhalten, bei der der Abgastest etwas realistischer ausfällt. Die Grenzwerte für Stickoxide sind dieselben.

Daimler-Chef Zetsche hatte seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals im Jahr 2015 immer wieder betont, dass es bei Mercedes keine illegalen Abgas-Manipulationen gebe. Man halte sich an die gesetzlichen Vorgaben, sagte er mehrfach. Auch jetzt lässt es der Konzern offen, ob er notfalls vor Gericht die Zulässigkeit der verwendeten Software klären lässt.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt schon seit über einem Jahr wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung gegen Daimler-Mitarbeiter. Im Mai 2017 durchsuchten Ermittler diverse Standorte des Autobauers und stellten Unterlagen sicher.

Folgen Sie dem Autor auf: @lukasklamert