Arbeitsschutz : So werden Kfz-Werkstätten fit für E-Fahrzeuge

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Die Kfz-Zulassungsstatistik 2020 hat es eindrucksvoll gezeigt: Trotz starker Coronavirus-bedingter Rückgänge bei den Pkw-Verkäufen insgesamt, konnten rein batterieelektrisch betriebene Autos (BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV) ihre Marktanteile auf 6,4 % bzw. 10,2 % deutlich steigern. Immer öfter greifen Frau und Herr Österreicher somit zu einem Fahrzeug mit alternativem Antrieb, das in weiterer Folge in den Kfz-Werkstätten gewartet und repariert werden will, zurück. Das bringt auch zusätzliche Herausforderungen für die Kfz-Betriebe mit sich – vor allem hinsichtlich des Arbeitsschutzes.

Denn eines unterscheidet Fahrzeuge mit Elektro- deutlich von ihren Pendants mit Verbrennungsmotor. In den Motorräumen entstehen schnell einmal Spannungen bis zu 1.500 V DC (Gleichspannung). Obwohl diese Spannungsebene in der Elektrotechnik normalerweise als „Niederspannung“ bezeichnet wird, hat sich im Automobilbereich die Bezeichnung „Hochvolt“ durchgesetzt. Damit soll auch aufgezeigt werden, dass diese Spannungsklasse zusätzliche Schutzmaßnahmen für den Menschen bedingt. Die Verantwortlichen in den Kfz-Betrieben haben bereits vor einigen Jahren begonnen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit für Arbeiten an Fahrzeugen mit Spannungen von größer als 25 V AC (Wechselspannung) bzw. 60 V DC (Gleichspannung) zu machen. Dazu werden von Weiterbildungseinrichtungen sogenannte Hochvolt-Schulungen, die modular aufgebaut sind, angeboten. Kfz-Betriebe, die BEV und PHEV servicieren und reparieren, müssen ihr Personal also umfangreich schulen (lassen), und wer an einem diesbezüglichen Fahrzeug schrauben will, muss zumindest das HV-Modul 2 absolviert haben.

HV-2 als Basis aller Werkstattaktivitäten

Doch zunächst der Reihe nach. Der Start erfolgt beim Hochvolt-Modul 1 (HV-1), in dem Grundlagenwissen zum elektrischen Strom und dessen Gefahren sowie Systemkenntnisse, Schutz und Schutzmaßnahmen bis hin zu Erste-Hilfe-Maßnahmen vermittelt wird. Wird dieses Modul absolviert, dürfen allgemeine, nicht mit dem Hochvolt-System in Verbindung stehende Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen ausgeführt werden. Gemeint sind damit etwa Wartungsarbeiten, die Instandsetzung mechanischer Komponenten und Karosseriereparaturen. Erlaubt sind auch Arbeiten am herkömmlichen 12-V-Bordnetz und an Fahrzeugen mit 48-V-Teilnetz (Mild-Hybrid-Anwendungen). Die nächste Stufe stellt das Hochvolt-Modul 2 (HV-2) dar, übrigens die am öftesten gewählte Möglichkeit der Hochvoltschulungen. Das HV-Modul 2 ist die Basis für Kfz-Betriebe, um Wartungs- und Reparaturarbeiten an BEV und PHEV überhaupt erst anbieten zu dürfen. Sie setzt zudem eine Ausbildung in einem technischen Kfz-Beruf voraus. Diese Ausbildungsstufe vermittelt Fachwissen zu den unterschiedlichen Hochvolt-Systemen, deren Bauteilen, Aufbau und Funktionen. Absolventen des HV-2-Moduls dürfen Arbeiten an nicht spannungsführenden Hochvolt-Komponenten von sogenannten HV-eigensicheren Fahrzeugen ausführen. HV-eigensicher meint in diesem Fall, dass durch technische Maßnahmen am Fahrzeug ein vollständiger Berührungs- und Lichtbogenschutz gegenüber dem Hochvolt-System gegeben sein muss. Konkret vermittelt die HV-2-Ausbildung, wie die Hochvoltanlage HV-eigensicherer Fahrzeuge spannungsfrei (galvanische Trennung der HV-Batterie vom HV-Bordnetz) geschaltet und die Spannungsfreiheit korrekt überprüft wird. Zusätzlich zählen Sicherheitsvorschriften, allgemeine Schutzmaßnahmen (geprüfte Schutzkleidung, isolierte Werkzeuge, etc.) sowie rechtliche Grundlagen zu den Lerninhalten.

Die höchste Stufe der Hochvolt-Ausbildungen markiert das Hochvolt-Modul 3 (HV-3). In dieser werden die in Modul 2 vermittelten Kompetenzen noch einmal verstärkt und ausgebaut. Wer diese Schulungsmaßnahme absolviert hat, darf auch an nicht HV-eigensichereren Fahrzeugen, zum Beispiel im Prototypenbau, Tätigkeiten durchführen. Zudem sind Fachkräfte mit HV-3-Ausbildung ermächtigt, unter anderem Messungen an unter Spannung stehenden Bauteilen des Hochvolt-Systems vorzunehmen. HV-3 baut auf HV-2, das positiv absolviert werden muss, auf und setzt ein Mindestalter von 18 Jahren und eine entsprechende Berufserfahrung voraus.

Das Thema erkannt – die Gefahren gebannt

Die Kfz-Werkstätten in Österreich haben in den meisten Fällen ihre Hausausgaben erledigt und sind für die Betreuung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben gerüstet. „Markengebundene Kfz-Betriebe kommen um die E-Mobilität schon aufgrund der Herstellervorgaben nicht herum. Es fällt uns allerdings auf, dass es in vielen freien Werkstätten einen Umdenkprozess gibt, den man so nicht erwarten konnte. Arbeiten an Elektro- und Hybridfahrzeugen werden sich in den nächsten Jahren zu Standardkompetenzen in den Kfz-Werkstätten entwickeln“, betont Mathias Gneist, Projektleiter E-Mobilität beim Kfz-Teilehändler und Werkstattausrüster Birner.

„Die Kfz-Betriebe sind vorbereitet“

Neben den Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen die Kfz-Betriebe auch in eigene Hochvolt-Arbeitsplätze und eine umfassende Sicherheitsausstattung investieren. Zu letztgenannter zählen beispielweise Hochvolt-Handschuhe und -Stiefel, spezielle Hochvolt-Werkzeuge und Diagnosegeräte. „Gerade rund um die E-Mobilität werden in Zukunft viele neue Geschäftsfelder entstehen. Die österreichischen Kfz-Betriebe sind auf jeden Fall vorbereitet – viele von ihnen gehen offen mit dem Thema um und haben in den vergangenen Monaten viel dazugelernt“, so der Experte.