Stellantis Interview : Mag. Markus Wildeis im Interview: "Wir blicken positiv nach vorne"

Markus Wildeis

Mag. Markus Wildeis, Managing Director Stellantis Austria Import

- © Christian Houdek

Die Stellantis Austria Import hat im Jahr 2022 ziemliche Umsatzrückgänge hinnehmen müssen. Wie hat sich das bisherige Jahr bei den einzelnen Marken entwickelt?

Wir spüren noch die Ausläufer der Lieferkettenkrise. Aber wir konnten unsere Verkaufszahlen im 1. Halbjahr stabilisieren und im Nutzfahrzeugbereich sogar ausbauen. Das aktuelle Marktumfeld ist bedingt durch die weiterhin sehr hohe Inflation und die hohen Zinsen für Finanzierungen nicht einfach. Dennoch lässt uns die kontinuierliche Verbesserung der Lieferketten, der Auftragsbestand und die Impulse durch Modellerneuerungen für die kommenden Monate positiv nach vorne blicken.

In Österreich vertreten wir die Marken Abarth, Alfa Romeo, Citroën, DS Automobiles, Fiat, Jeep, Opel und Peugeot und können für jede Mobilitätsanforderung das passende Fahrzeug anbieten, im Pkw-Bereich als auch bei den Nutzfahrzeugen.

Stellantis Fiat Nfz-Modelle
© Stellantis

Alternative Antriebe umfassen einige Komponenten, darunter auch Kraftstoffe wie HVO. Peugeot und Citroen haben alle Euro 5 und Euro 6 Dieselmodelle für den HVO-Betrieb freigegeben haben. Wird es in dieser Richtung bei Stellantis weitergehen?

Wir verfolgen mit der Dare Forward 2030 Strategie einen klaren Nachhaltigkeitsplan. Ziel ist es entsprechend der Regularien die Emissionen zu reduzieren. Und zwar bei unseren Fahrzeugen als auch im Gesamtkonzern. Gemäß unseres Strategieplans Dare Forward 2030 werden wir in Europa ab 2030 im Pkw Bereich ausschließlich BEV-Fahrzeuge anbieten.

Bei den Nutzfahrzeugen gehen wir davon aus, dass neben den Elektro-Nutzfahrzeugen auch die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie für unsere Kunden interessant sein wird. Insgesamt arbeiten wir daran, im Gesamtkonzern zu unserem industriellen Footprint und all unseren Aktivitäten die CO₂-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken und per 2038 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen.

„Mit Dare Forward 2030 verfolgen wir einen klaren Nachhaltigkeitsplan“
Mag. Markus Wildeis

Es sind sämtliche Nfz-Modelle rein elektrisch zu haben, in den Startlöchern stehen nun welche mit Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb. Wie sieht hier der weitere Plan aus?

Wir sind bei leichten Nutzfahrzeugen in Europa klarer Marktführer und der aktuell einzige Hersteller, der in allen Segmenten bei jeder Marke eine vollelektrische Version im Angebot hat. Und das jeweils bei den vier beliebten Marken Citroën, Fiat, Opel und Peugeot.

Zusätzlich bieten wir mit dem Opel Vivaro-e Hydrogen ein Nutzfahrzeug mit Wasserstoff/Brennstoffzellenantrieb an. In Deutschland ist er bereits erhältlich, in Österreich möchten wir das Fahrzeug auch bald anbieten. Wir möchten im Nutzfahrzeugbereich künftig noch stärker werden. Dabei hilft es uns, dass wir mit Jahresende insgesamt acht Nutzfahrzeugfabriken in Europa haben. Das bringt uns einen strategischen Vorteil im Markt und unterstützt uns in den kommenden Jahren dabei, uns noch stärker zu positionieren.

In Österreich konnten wir im ersten Halbjahr einen Marktanteil von 22 Prozent erreichen. Das heißt, fast jedes vierte Nutzfahrzeug kam aus dem Stellantis Konzern.

Opel Vivario Wasserstoff
© Opel

Es tut sich viel bei Stellantis, was die Zukunft anbelangt. Stichwort Free2Move mit einem umfangreichen Angebot. Wie weit ist man hier in Österreich, was können Kunden erwarten?

Ja, das ist auch ein Teil der Dare Forward 2030 Strategie, die Wertschöpfung von einem reinen Fahrzeughersteller künftig wesentlich zu verbreitern. Unsere Mobilitätsmarke Free2move ist dabei ein wesentlicher Bestandteil und bietet vielfältige Mobilitätslösungen auch in Verbindung mit Elektromobilität, Konnektivität und autonomen Fahren.

So ist in Österreich die Kurzzeit-Fahrzeug-Miete über die Website möglich, ebenso wie die Buchung von Parkplätzen, oder einem Limousinenservice mit Chauffeur. Außerdem bietet Free2Move für die uneingeschränkte Mobilität eine Lade-App für das Laden von Elektrofahrzeugen an 220.000 Ladesäulen in Europa und ganz wichtig für Unternehmen, ein Fuhrparkmanagement.

Im Bereich der Softwareinnovationen plant Stellantis neue KI-basierte Technologieplattformen zu entwickeln. Was können Sie uns darüber erzählen?

Wir haben einerseits vier neue Fahrzeug-Plattformen in der Entwicklung, die wie gesagt demnächst auf den Markt kommen werden. Damit können wir vom Kleinwagen über Performance-Fahrzeuge bis hin zu Nutzfahrzeugen alle nachgefragten Anwendungen abbilden, mit elektrischen Reichweiten je nach Plattform und Modell bis zu 800 Kilometer nach WLTP.

Wir investieren sehr viel in die neuen Technologien als auch in neue Produktionskapazitäten. So werden wir fünf eigene Giga-Factories für die Batterieproduktion haben, die erste wurde im Juni eröffnet. Außerdem entwickeln wir drei Technologieplattformen, die wir STLA Brain, STLA SmartCockpit und STLA Autodrive nennen, um den zukünftigen Anforderungen an ein Automobil gerecht zu werden und state-of-the Art-Lösungen anbieten zu können. Insgesamt investiert Stellantis bis 2025 rund 30 Milliarden Euro in neue Fahrzeuge und Technologien für die Zukunft.

Stellantis Foxconn Mobile Drive
© Stellantis

Stellantis & You Standorte werden immer weniger – wie z.B. Schönbrunn. Wie soll der dortige bisherige Bedarf abgedeckt und die Qualität erhalten bleiben?

Primär ist es wichtig, dass alle unsere Marken eine adäquate national flächendeckende Vertriebs- und Servicenetzabdeckung haben und das ist bei jeder Marke mehr als sichergestellt. Ob regionale Gebiete dann mit Handelspartnern oder den konzerneigenen Retailbetrieben von Stellantis & You abgedeckt werden ist von Fall zu Fall zu entscheiden, dies hat aber keinesfalls Auswirkungen auf die Qualität.

  • Markus WIldeis
    „Leistbare, individuelle Mobilität ist eine Grundsatzfrage.“

    Mag. Markus Wildeis

Ist es – ähnlich wie bei Porsche Austria – angedacht, eigene Betriebe und Händler zu installieren?

Wie erwähnt, grundsätzlich ist es das oberste Ziel die beste Abdeckung für jede unserer Marken sicherzustellen. Wir stellen uns immer die Frage nach der bestmöglichen Lösung in einem Verkaufsgebiet, unabhängig davon, ob dies ein eigener Betrieb oder ein Handelspartner ist. Dabei bieten wir mit dem großen Stellantis Markenportfolio enorme Synergien für Partner als auch für Kundinnen und Kunden.

Dann bleibt noch die Frage nach dem Agentursystem, welches meines Wissens nach dieses Jahr starten hätte sollen. Wie steht es damit?

Hier haben wir gemeinsam mit unseren Vertragspartnern entschieden, den Ansatz Qualität schlägt Zeit zu verfolgen und daher über den Sommer etwas mehr Zeit in die Vorbereitung zu investieren. Wir planen das GO LIVE für den September. Wir sind überzeugt, dass in der enormen Transformation des Autohandels die jahrzehntealten Vertriebssysteme an ihre Grenzen stoßen und im heutigen Omnichannel Markt unser neues Retailer Modell die Bedürfnisse von morgen wesentlich besser abdeckt. Damit bieten wir mittel und langfristig eine Win-Win Lösung sowohl für unsere Vertragspartner als auch für unsere Kundinnen und Kunden.

Stellantis Alfa Romeo SC
© Stellantis

Beim Autokauf, ist eine Veränderung des Kaufverhaltens zu erkennen? Die Preise der Neuwagen sind auch gestiegen und für nächstes Jahr wurde generell eine Preissteigerung prognostiziert. Wie sieht das bei den Marken von Stellantis aus?

Das ist ein Thema, das wir sehr ernst nehmen. Denn leistbare, individuelle Mobilität ist nicht nur eine wirtschaftliche Bedingung für eine Gesellschaft, sondern auch eine demokratische Grundsatzfrage. Die Stellantis Dare Forward Strategie bietet auch hierzu Lösungen, wir arbeiten stets daran, saubere, sichere und leistbare Mobilität anzubieten. Auch in Zukunft, wenn der Markt die Transformation hin zur Elektromobilität vollzieht, werden wir die entsprechenden Angebote haben.

So zum Beispiel einen Elektro-Pkw im B-Segment für rund 25.000 Euro, den wir schon in wenigen Monaten anbieten werden. Unsere Größe hilft uns, mit den Skaleneffekten, unsere Marken mit neuen Plattformen zu unterstützen und damit für jede unserer Marken die Marktposition auszubauen.

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Wir entwickeln aktuell vier neue BEV-Plattformen, die erste davon, die STLA Medium Plattform, haben wir kürzlich vorgestellt. Es ist eine BEV native Plattform mit bis zu 700 km vollelektrischer Reichweite nach WLTP, die aber auch während der Übergangsphase nach wie vor MHEV und PHEV-Angebote abbilden kann. Und diese Plattform wird bereits mit der Präsentation eines neuen C-Segment-Modells im September ihre Weltpremiere feiern.

Markus Wildeis
© Christian Houdek