Technik : Neue Scheinwerfer werfen ihr Licht auf Design

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Die Bedeutung von Schweinwerfern bei Kraftfahrzeugen steht außer Frage. Die Anforderungen sind hoch. Allgemein sollte ein gutes Schweinwerfer-Abblendlicht die Straße gleichmäßig ausleuchten, eine gute Sichtweite am eigenen Fahrbahnrand bieten, dabei die eigene Fahrbahn betonen (Führungslicht), ausreichende Streubreite besitzen, den Gegenverkehr nicht blenden, bei Nebel nur geringe Eigenblendung erzeugen, die eigene Fahrbahn bis etwa 40 Meter nicht zu stark ausleuchten, da dies besonders bei nasser Straße durch Reflexion zu starker Blendung des Gegenverkehrs führt. Die Bandbreite all jener Anforderungen, die ein Scheinwerfer zu erfüllen hat, sind also hoch.

Ausgehend von der Glühlampentechnologie des 20. Jahrhunderts hat sich die Fahrzeugbeleuchtung seit den 1990er Jahren mit der Einführung der Gasentladungstechnik und später der LED-Technologie in Kombination mit moderner Sensorik ihrem Ziel, optimale Ausleuchtung, Sicherheit und Komfort bei minimaler Blendung zu ermöglichen, erheblich genähert. Dennoch ist die Unfallhäufigkeit bei Dunkelheit etwa immer noch doppelt so hoch wie bei Tageslicht. Doch daran ist nicht allein die lichttechnische Einrichtung am Kraftfahrzeug schuld, die für die Ausleuchtung der Fahrbahn sorgt.

Viele Fahrer berücksichtigen nicht, dass wir bei Dunkelheit aufgrund unserer Sinne nur ein reduziertes Wahrnehmungsvermögen haben. Das Farbsehen wird schwächer, Geschwindigkeit und Abstände werden schlechter eingeschätzt. Der ÖAMTC weist darauf hin, dass die Kontrastsehschärfe, das sogenannte Dämmerungssehen, nachts nur noch 20 bis 30 Prozent der Tagessehschärfe beträgt. Hindernisse werden daher in der Nacht wesentlich später wahrgenommen. Faktoren wie Müdigkeit spielen ebenfalls eine Rolle und mindern die Reaktionsfähigkeit entsprechend.

Immer noch ein Streitthema ist, welcher Lampentyp denn nun „subjektiv“ der bessere sei. Denn manche Fahrer beharren noch auf die Kraft der H4-Halogenlampe, wohingegen die meisten neue Fahrzeugtypen bereits serienmäßig auf Xenonleuchten oder Leuchtdioden (LED) setzen. Ein Trend, den der ÖAMTC befürwortet, schließlich habe sich in Tests gezeigt, dass die Halogenleuchten beim Frontlicht besonders defektanfällig sind, hingegen LED- und Xenonleuchten seltener ausfielen.

Nicht zuletzt beschäftigt sich die Entwicklung von Fahrzeugscheinwerfern erst so richtig mit dem Thema der optimalen Verkehrsraumausleuchtung, ohne den Gegenverkehr zu blenden, seit der Einführung der Xenonscheinwerfer 1991 mit 3200 Lumen pro Lichtquelle. Heute verfügen ausgewählte Fahrzeugmodelle bereits über sogenannte Nachtsichtassistenten. Während Abblendscheinwerfer nur eine begrenzte Sichtweite ermöglichen, hat diese Nachtsichttechnik eine Reichweite, die der des normalen Fernlichtes entspricht. Dennoch wird der Gegenverkehr nicht geblendet, weil das dafür verwendete Infrarotlicht für Menschen nicht sichtbar ist.

Gegenüber der Halogenlampe haben Xenonscheinwerfer nur einen kleinen Nachteil, dass sie zum Erreichen der vollen Beleuchtungsstärke circa fünf Sekunden benötigt. Zumindest hier hat die Halogenlampe die Nase vorne: Sie hat bereits unmittelbar nach dem Einschalten (lediglich 0,2 Sekunden) die volle Leuchtstärke entfaltet. Seit 2002 sind mechatronische Lichtsysteme im Markt, die durch Bewegung von Modulen und Blenden die erzeugte Lichtverteilung der jeweiligen Straßen- und Verkehrssituationen anpassen. Einen Schritt weiter ging es dann mit der Einführung der LED-Technologie bei Fahrzeugscheinwerfern, dadurch wurden noch smartere Lösungen für adaptive Lichtsysteme möglich.

Mittlerweile dienen Scheinwerfer aber nicht nur einer Verbesserung der Sicht bei schlechten Lichtverhältnissen, sondern gehören auch zu den wichtigsten Designaspekten bei der Entwicklung eines Fahrzeugs. Für ein Auto sind sie das, was Augen für ein menschliches Gesicht sind. Welche Entwicklungsarbeit in LED-Scheinwerfern stecken, wird beim Lichttunnel der Marke Seat offensichtlich. In der Entwicklung stecken mehr als drei Jahre engster Zusammenarbeit zwischen Designern und Ingenieuren. Im Lichttunnel führen diese Spezialisten alle erforderlichen Test- und Prüfverfahren an Scheinwerfern und Rückleuchten durch, um ein besseres Licht zu erreichen, das dem Fahrer mehr Komfort und Sicherheit bietet.

„In der Entwicklungsphase stehen wir in ständiger Verbindung mit der Designabteilung. Wir setzen ästhetische Ideen in mathematische Genauigkeit um“, erläutert Carlos Elvira, der das Team für Beleuchtung und Lichtsignale leitet. Als Beispiel nennt er den Seat Tarraco. „Wir wollten, dass bei diesem Fahrzeug Technologie und Emotion vermittelt werden“, fügt Tony Gallardo hinzu, der für das Design der Exterieur-Komponenten verantwortlich ist.

Hunderte Simulationen pro Modell

Das Team für Beleuchtung und Lichtsignale nutzt dabei 3D-Simulationen, um Mechanismen mit neuen Geometrien zu erstellen. Pro Modell werden bis zu 300 Simulationen durchgeführt, um die Realisierbarkeit des Designs zu testen. Sobald die virtuelle Phase abgeschlossen ist, wird ein maßstabgetreues Modell für die ersten Tests hergestellt. „Mithilfe dieser Tests prüfen wir das Licht auf seine Verteilung, Gleichmäßigkeit und Intensität“, fügt Carlos hinzu.

Das technische Zentrum von Seat verfügt über einen 40 Meter langen, asphaltierten Lichttunnel, der es „uns ermöglicht, die authentischen Bedingungen einer Nachtfahrt zu simulieren“, so Carlos. Er sitzt am Steuer eines Tarraco, um die verschiedenen Leuchten des Autos zu testen und ihre Intensität mit einem Fotometer zu messen. Er überprüft auch, ob das Scheinwerferlicht eine horizontale Linie bildet. „Der Strahl muss nicht zwangsläufig ganz gerade oder scharf sein, da sich dadurch die Augen des Fahrers zu sehr anstrengen müssen“, so der Experte.

Ändert sich der Winkel des Lichtstrahls, wenn das Auto voll beladen ist? „Die Antwort ist nein“, sagt Carlos. Zu diesem Zweck werden verschiedene Tests mit Gewichten ausgeführt. „Zum Beispiel wird der Kofferraum mit bis zu 350 Kilogramm oder das Auto mit fünf Fahrgästen beladen, um zu garantieren, dass der Lichtwinkel unabhängig von der Beladung des Fahrzeugs jederzeit korrekt ist. Weitere Tests stellen außerdem sicher, dass der Gegenverkehr nicht geblendet wird“, fügt Carlos hinzu.

Von arktischer Kälte bis zur glühenden Wüstenhitze

Die verschiedenen Teile der Fahrzeugbeleuchtung werden bis zu zehn Tage bei Extremtemperaturen gelagert, die von -40 °C bis +90 Grad °C reichen. Diese Tests finden in einer Klimakammer statt, in der die Teile verschiedenen Hitze-, Feuchtigkeits- und Kältebedingungen ausgesetzt sind. Dadurch soll geprüft werden, ob die Leuchten und ihre Funktionen richtig reagieren, wenn das Auto entweder auf gefrorenen Straßen in Schweden oder in der prallen Sonne Mexikos unterwegs ist. Zudem legen die Prototypen vor der Markteinführung mehr als 30.000 Kilometer zurück und werden zwei Jahre in Wüsten gelagert, um ihre Leistung unter jeglichen Wetterbedingungen zu testen.

LED-Leuchten mit einer Lebensdauer von 10.000 Stunden

Die durchschnittliche Nutzungsdauer der 300 LED-Lichtquellen des Tarraco liegt laut Hersteller bei rund 10.000 Stunden. Ein Vorteil ist, dass sie nur halb so viel Strom verbrauchen wie vergleichbar helle Halogen-Leuchtmittel. „Beleuchtungssysteme haben sich im Hinblick auf Komfort und Sicherheit extrem weiterentwickelt“, betont Carlos. „Diese Technologie gibt ein viel kühleres, Tageslicht-ähnlicheres und helleres Licht ab und eröffnet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten beim Design der Scheinwerfer und Rückleuchten. „Mithilfe von LEDs können wir das Design der Leuchtkörper komplett neu erfinden“, schließt Carlos ab.