E-Mobilität : Second Life: Die Suche nach neuen Lösungen für alte Akkus
Elektroautos wie der Renault Zoe, Nissan Leaf, BMW i3 oder Tesla Model haben eines gemeinsam: Sie benötigen Lithium-Ionen-Akkumulatoren zur Speicherung von Strom. Auch Plug-in-Hybride besitzen einen Elektroantrieb, der ein Medium zum Speichern von Energie benötigt. Eine ressourcen- und energieintensive Herstellung stellt den Beginn einer Lithium-Ionen-Batterie dar.
Die Zahlen gehen hier zwar auseinander, nicht zuletzt, weil Lithium-Ionen-Akkus immer besser und langlebiger werden, doch nach einer Nutzung von rund zehn Jahren dürfte im Schnitt ihr Ende erreicht sein, merkt der Klima- und Energiefonds an. Die Hersteller geben freilich eine deutlich höhere Lebensspanne an. Sie garantieren derzeit Laufleistungen zwischen 100.000 und 160.000 Kilometern.
Festkörperbatterien lassen auf sich warten
Forscherteams tüfteln intensiv daran, energie- und ressourcensparendere Wege zur Speicherung von Energie zu finden. So haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der Universität Münster eine neue Festkörperbatterie vorgestellt, die über eine Anode aus reinem Lithium verfügt. Doch Kobaltärmere Akkus lassen noch auf sich warten, bevor sie in Großserie gehen werden. nach Meinung der Deutschen Rohstoffagentur sei mit einer Großserienproduktion von Festkörperbatterien (Solid-State) nicht vor 2026 zu rechnen. Ein Grund mehr, gut darüber nachzudenken, was mit ausgedienten Traktionsbatterien aus Elektroautos geschehen soll.
Auf Kobalt als wichtiger Rohstoff lässt sich trotz sinkender Metallinhalte wegen seiner Eigenschaften in den kommenden Jahren nicht verzichten. Das europäische Projekt Si-Drive, an dem auch das Karlsruher Institut für Technologie beteiligt ist, forscht nicht nur an der Etablierung einer europäischen Batteriefertigung, sondern auch an einem nachhaltigen Zellkonzept. Dabei tüftelt die Forschungsgruppe, um Professor Stefano Passerini vom Helmholtz-Institut Ulm, an einem neuartigen, kobaltfreien Kathodenmaterial mit unkritischen Elementen wie Eisen oder Aluminium. Das Ziel ist auch, die Energiedichte weiter zu erhöhen.
Feststoffbatterien gelten als großes Versprechen für die Zukunft. Die Technologie könnte der Elektromobilität, aber auch Nischenanwendungen in der Medizin- und Raumfahrttechnik zu neuen Durchbrüchen verhelfen. Festkörperakkus enthalten keine Flüssigkeiten, die auslaufen oder in Brand geraten können. Aus dem Grund gelten sie als deutlich sicherer, zuverlässiger und langlebiger als aktuelle Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigem Elektrolyt. Gleichzeitig besitzen Festkörperbatterien das Potenzial, mehr Energie auf demselben Raum bei geringerem Gewicht zu speichern.
„Ziel war es, unser Konzept für eine Festkörperbatterie so zu erweitern, dass der stabile Betrieb mit einer Lithium-Anode möglich wird, und das haben wir geschafft“, erklärt Hermann Tempel vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-9). Lithium als Anode gilt als Material der Wahl, wenn es darum geht, möglichst hohe Energiedichten zu erzielen. Die neue Festkörperbatterie kommt bezogen auf beide Elektroden auf eine Energiedichte von 460 Wh/kg. Im Vergleich mit aktuellen Lithium-Ionen-Batterien ist das ein sehr guter Wert. Hinzu kommen weitere Vorteile, die die Bauweise mit sich bringt. So sind Festkörperbatterien deutlich weniger temperaturempfindlich als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien mit Flüssigelektrolyt. Daher benötigen sie keine Vorrichtungen für das Temperaturmanagement, wie sie bislang in Elektroautos verbaut werden, was zusätzlich Gewicht einsparen dürfte.
Polymerfolie ermöglicht Einsatz von reinem Lithium
Möglich wurde die Verwendung einer Anode aus reinem Lithium durch den Einbau einer Polymerfolie zwischen Anode und Elektrolyt. Da reines Lithium jedoch dazu neigt, beim Laden unkontrollierte Auswüchse zu bilden, die die Zelle kurzschließen oder sie mechanisch zerstören können, werden Lithium-Atome daher in einem Speichermedium, meist Graphit, eingelagert.
„Das Polymer funktioniert wie eine Schutzschicht, die die Verwendung einer Lithium-Anode überhaupt erst möglich macht“, erklärt Tempel. Erste Tests im Labor verliefen bereits sehr erfolgreich. Über 500 Lade- und Entladezyklen hinweg ließen sich kaum Performanceeinbußen feststellen.
Die Polymerschicht bei der Herstellung wird flüssig aufgetragen und dringt tief in den porösen keramischen Elektrolyten ein. Das verbessert den Kontakt zwischen dem festen Elektrolyt und der festen Elektrode, bei Festkörperakkus ein häufiges Problem. Es wird kein stabiles und entsprechend schweres Gehäuse mehr benötigt, das die verschiedenen Komponenten mechanisch zusammenpresst und dadurch für eine gute Verbindung sorgt. Das spart ebenfalls Gewicht und trägt dazu bei, die Energiedichte zu erhöhen.
Traktionsbatterien ein zweites Leben geben
Ein weiterer wichtiger Ansatz betrifft das Thema Recycling. Wird an einer idealen Geometrie der Nanostruktur der Anode gefeilt, kann eine lange Zyklenstabilität mit hohen Massenbeladungen ermöglicht werden. Die Struktur der Anode wird durch Modellierung dahingehend optimiert, dass Volumenausdehnung und mechanische Deformation bestmöglich abgepuffert werden und gleichzeitig eine maximale Energiedichte aufrechterhalten werden kann. Ein weiterer Vorteil eines neuentwickelten Festelektrolyts, das auf ionischen Flüssigkeiten basiert, soll eine niedrige Entflammbarkeit sein. Das bietet selbst bei hohen Spannungen eine höhere Sicherheit.
Alles in allem könnte laut den Forschern durch die Anwendung eines solchen Anoden- und Elektrolytkonzepts am Ende eine Recyclingrate von über 50 Prozent erzielt werden. Schon jetzt gibt es auch Ansätze, die den Gedanken verfolgen, ausgediente Akkus weiterhin sinnvoll einzusetzen – ihnen sozusagen ein Second Life zu geben. Zum Beispiel bietet er sich als stationärer Zwischenspeicher in einem Gebäude an, um Strom aus erneuerbaren Energien zu puffern. Aktuell arbeiten im Rahmen des Si-Drive-Projekts fünf Projektpartner an einem Konzept einer Kreislaufwirtschaft, um weitere Anwendungen zu identifizieren.
Lagerhalle statt stationärer Zwischenspeicher
Automobilhersteller sind per Gesetz nicht nur dazu verpflichtet, verbrauchte Energieträger nach ihrer Nutzung im Auto zurückzunehmen, es macht besonders dann Sinn, wenn diese noch über einen Großteil ihrer Ladekapazität verfügen. Ein Projektteam aus Produktion, Logistik und Entwicklung bei Audi untersucht seit rund zwei Jahren, wie sich Akkus aus den eigenen Elektrofahrzeugen weiterhin sinnvoll nutzen lassen - etwa aus Erprobungsfahrzeugen, die nicht mehr benötigt werden. Das Unternehmen wurde auch fündig. Im Stammwerk Ingolstadt erprobt der Autohersteller mit gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien angetriebene Flurförderfahrzeuge.
Die Flurförderfahrzeuge in der Audi-Produktion, etwa Gabelstapler und Zugmaschinen, beziehen ihre Energie bisher aus Blei-Säure-Batterien. Sie machen mit rund 90 Prozent den größten Anteil am weltweiten Batteriemarkt aus. Ihr Verschleiß ist aber wesentlich höher als das bei Li-Ionen-Akkus der Fall ist. Doch es gibt noch einen weiteren Nachteil: Sind diese leer, müssen die Mitarbeiter, die bis zu zwei Tonnen schweren Batteriepakete jedes Mal ausbauen. Batterien mit herkömmlichen Lithium-Ionen haben den Vorteil, dass sie nicht ausgebaut werden müssen und sich während der regelmäßigen Standzeiten, beispielsweise in Schichtpausen, direkt an ihren Stellplätzen aufladen lassen. Das spart Platz, zudem entfällt der hohe manuelle Aufwand für den Tausch der Batterien.
Kostensparende Lösung gefunden
Würde Audi die gesamte Flotte an Flurförderfahrzeugen an seinen weltweit 16 Produktionsstandorten auf Akkus mit höherer Energiedichte umrüsten, ließe sich so ein Millionenbetrag sparen, rechnet der Autohersteller vor. „In jedem Akku stecken ein hoher Energieaufwand und wertvolle Ressourcen, die es bestmöglich zu nutzen gilt“, sagt Peter Kössler, Vorstand Produktion und Logistik bei Audi. „So gehört für uns zu einer nachhaltigen Elektromobilitätsstrategie auch ein sinnvolles Second-Use-Konzept für die Energieträger.“
Die nach ihrer Nutzung im Auto verbleibende Ladekapazität der Akkus ist für die Anforderungen der Transportfahrzeuge mehr als ausreichend. Ihre Fahreigenschaften verbessern sich durch den Einsatz sogar deutlich: So können sie ihre Geschwindigkeit auch auf schrägen Rampen konstant halten - mit Bleisäure-Batterie ist das nicht möglich. Zudem beugt das regelmäßige Laden während der Pausen Stillstandzeiten während der Arbeitszeit vor. Die Batterie eines Audi e-tron zum Beispiel besteht aus 36 einzelnen Batteriemodulen und liegt in Form eines flachen, breiten Blocks unter der Passagierzelle zwischen den Achsen.
Konkrete Konzepte in Entwicklung
Das Projektteam prüft jedes einzelne Modul nach der Rücknahme der Batterie auf ihre weitere Einsatzfähigkeit. Anschließend bauen sie jeweils 24 Module in eine neue Batteriewanne ein. Diese hat die gleichen Abmessungen und das gleiche Gewicht wie die bisherigen Bleibatterien der Flurförderfahrzeuge - so kann das Unternehmen alle Flurfahrzeuge ohne größere Investitionen weiter verwenden. Den Aufbau der Second-Use-Batterien könnten dafür spezialisierte Mitarbeiter künftig im hauseigenen Batterietechnikum übernehmen.
Nachdem erste Tests erfolgreich waren, erproben sie jetzt die ersten umgebauten Flurfahrzeuge im Produktionsalltag. Das Projekt ist eines von vielen, bei dem sich Audi für die sinnvolle und effiziente Weiternutzung von Elektroauto-Batterien einsetzt. Denkbar ist außerdem der Einsatz gebrauchter Module in mobilen Ladecontainern für Elektrofahrzeuge oder in stationären Energiespeichern. Auch für das Recycling entwickelt Audi konkrete Konzepte: Am Ende ihres Lebenszyklus sollen wertvolle Elemente aus den Batterien in neue Produkte einfließen und somit weiter genutzt werden.