Interview : Fahrzeugteile aus Holz – ein Werkstoff birgt Potenzial
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Die Hitze bricht in diesem Sommer Rekorde. Doch es ist nicht alles Sonnenschein. Leider werden auch Rekorde bei Gletscherschmelze und Dürrekatastrophen gebrochen. Der Klimawandel hat die Natur und uns im Griff. Unsere Mobilität ist davon ebenso betroffen. Strenge Richtlinien sehen einen Umstieg auf alternativ-betriebene Fahrzeuge vor. Der Fuhrpark wird ergänzt durch bislang untypische Gefährte wie E-Bikes oder E-Roller. Doch neben diesen grundlegenden Veränderungen bei der Antriebstechnologie, ist auch im Fahrzeugbau das Ende der ökologischen Fahnenstange längst nicht erreicht. Schon gar nicht, wenn es um das Einsparen von CO2-Emissionen geht. Beweis dafür, sind die Bestrebungen einiger eifriger Forscherinnen und Forscher in Österreich, die den nachhaltigen Werkstoff Holz im Fahrzeugleichtbau zur Serienreife verhelfen wollen.
Derzeit manifestieren sich diese Bestrebungen noch in Forschungsprojekten, doch Christian Tippelreither, Geschäftsführer beim Holzcluster Steiermark, erkennt die Aufbruchsstimmung und das starke Interesse seitens der Industrie. „In Österreich haben wir die Ressourcen und die Globalplayer, die es braucht, um den Holzleichtbau im Fahrzeugwesen zu etablieren", betont Tippelreither in einem Gespräch mit AUTOSERVICE und ergänzt: "Wir stehen am Anfang davon, dass die heimische Holzbranche als Zulieferer der Fahrzeughersteller agieren kann und völlig neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze entstehen."
Beispiel: Hölzerne Bustreppe
Es gebe zwar noch "Barrieren im Kopf", wenn es um Holz und Fahrzeugbau ginge, doch das Mindset ändere sich im Zuge des Klimawandels und die Selbstversorgung mit heimischen Rohstoffen gewinne zunehmend an Bedeutung, so Tippelreither. Die beiden österreichischen Vorzeigeprojekte "Wood.C.A.R." und "CARpenTiER" tragen maßgeblich dazu bei, dass ein solches Umdenken stattfindet. Denn konkrete Anwendungsfälle gibt es bereits: Eine Bustreppe, bei dem Holz den Glasfaserverbundwerkstoff ersetzen kann. Der Bus- und Lkw-Hersteller MAN zeigte ebenso wie Volkswagen im Jahr 2017 Interesse an dieser Idee und setzte Holzleichtbauteile zu Testzwecken ein. Die Bustreppe aus Holz überzeugte: "Die Ergebnisse zeigten, dass der Prototyp aus Holz zu einer Gewichtseinsparung von bis zu 35% sowie zu einer Reduktion von bis zu 45% des emittierten CO2 führte."
Rasch drängt sich die Frage nach der Robustheit eines solchen Bauteils auf – doch hier entgegnet der Holz-Experte: "Die Bustreppe aus Holz hat die gleichen Testzyklen wie Bauteile aus Glasfaserverbund durchlaufen. Die Anforderungen wurden bestanden." Bei solchen Testzyklen kommt unter anderem Säure zum Einsatz, die auf das Material aufgetragen wird. „Die Beschichtung des Materials ist darauf ausgelegt, dass die Bustreppe langfristig hält und stabil bleibt. Seitens MAN wurden klare Anforderungen gestellt.
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Am Anfang stand der Leichtbau
Dass der Werkstoff Holz in Verbindung mit dem Fahrzeugleichtbau gebracht wurde, kam nicht von ungefähr, erzählt Tippelreither. Die Vorteile lagen schnell auf der Hand: Holz ist vielseitig, es ist ein leichter Werkstoff und richtig bearbeitet beziehungsweise behandelt äußerst widerstandfähig. Unbestritten ist sein ökologischer Vorteil gegenüber Kunststoffen oder Metallen. Reibungslos funktionierte die Entwicklung der ersten hölzernen Fahrzeugbauteile für den intensiven Testeinsatz jedoch nicht, denn es bestand zunächst eine Forschungslücke.
Christian Tippelreither erklärt woran es mangelte: „Wenn man ein Automobil konstruiert, wird ein Bauteil am Computer angefertigt. Mit den klassischen Materialkarten, die hauptsächlich auf Materialien wie Aluminium und Metall ausgelegt sind, konnten die Holzbauteile aber nicht mit den Simulationstools erstellt werden.“ Das habe sich nach Jahren der Forschungsarbeit geändert. 2017 bis 2021 brachten VW und MAN ihre Use-Cases ein – darunter eine Bustreppe, ein Seitenaufprallträger und das Chassis eines Schneemobils. Mithilfe dieser Aufgabenstellungen konnten die fehlenden Materialkarten erstellt werden.
Eine intelligente Kombination
"Wir konnten mit unseren Anwendungsfällen am Computer beweisen, dass Holz im Fahrzeugleichtbau funktioniert. Auch die echten Tests lieferten überzeugende Ergebnisse. Jetzt muss die Industrie für diesen Werkstoff fit gemacht werden, damit in großer Stückzahl produziert werden kann", betont Tippelreither. Und hier ist letztlich auch die Schlüsselfrage enthalten, die dem Holz-Experten öfter gestellt wird: "Könnt ihr überhaupt so viel Stück in gleichbleibender Qualität liefern?" Der Geschäftsführung des Holzclusters Steiermark gibt dann zur Antwort: "Wir können derzeit in Kleinserie produzieren, doch für eine Großserie fehlen uns noch die industriellen Anlagen, die wichtige Produktionsschritte automatisiert durchführen können."
Das steirische Unternehmen Weitzer Woodsolutions ist eine der spezialisierten Partner für die Fertigung von leichten Holzteilen für Fahrzeuge und verfügt über Maschinen. Produziert werden soll hier später einmal auf Menge. "Die Holzbauteile werden zertifiziert sein und allen gängigen Standards entsprechen, die in der Automobilindustrie Geltung haben“, erklärt Tippelreither. Eins zu eins kann ein Hightech-Fahrzeugteil aus Holz jedoch nicht von einem Bauteil eines anderen Materials kopiert werden: „Wir brauchen hier etwas Spielraum", so Tippelreither. Das sei ganz einfach dem Material geschuldet, welches sich anders verhalte als Kunststoff oder Metall. Ob es neben den CO2-Einsparungen tatsächlich Kostenvorteile geben wird, wird erst eine Serienproduktion eines Fahrzeugteils aus Holz zeigen. Die Forscherinnen und Forscher rechnen bei einem Hochlauf jedoch damit.
Hybride Holzbauteile als Option
Doch ein Bauteil für Fahrzeuge muss zwangsläufig nicht zu 100% aus Holz bestehen. Unter der Konsortialleitung des Innovationszentrum W.E.I.Z. wurde gemeinsam mit der BOKU (Institut f. Holztechnologie u. Nachwachsende Rohstoffe), TU-Graz (VSI), und dem K2-Zentrum "Das Virtuelle Fahrzeug“ im Projekt CARpenTiER daran geforscht, wie Holz im Verbund mit Aluminium oder Stahl funktioniert. Holz könnte als Volumensteil dienen und mit Metallen, zum Beispiel in Form einer dünnen Außenhaut, aufgewertet werden. "Wir sind absolut nicht allein auf Holz fokussiert, denn Holz hat zwar viele Vorteile aber auch Nachteile. Es komme vielmehr auf eine intelligente Kombination aus Holz, Metallen und Kunststoffen an.
Mit einem Serieneinsatz von Bauteilen aus Holz rechnet Tippelreither zunächst bei Zügen. Erst danach folgen Fahrzeuge und Flugzeuge. Wir müssen jetzt viel Arbeit im Bereich der Bewusstseinsbildung leisten: "Es geht mit Holz einiges mehr, als die meisten glauben. Immer wieder bekomme ich die Frage gestellt, ob wir mit Holz überhaupt genau produzieren können. Darauf antworte ich gerne mit dem Beispiel eines Parkettbodens mit Klicksystem. Dieses muss auf ein Zehntel genau gefertigt sein, damit die Dielen richtig ineinanderpassen."
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"Wir stehen am Anfang davon, dass die heimische Holzbranche als Zulieferer der Fahrzeughersteller agieren kann und völlig neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze entstehen"Christian Tippelreither, Geschäftsführer Holzcluster Steiermark