Kfz-Branche : Die Kfz-Sachverständigen gehen auf Konfrontation

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„Big Data“, ein Begriff der ohne eine einheitliche Definition auskommen muss und vieles umfassen kann. Im Prinzip handelt es sich um eine Flut an Daten, die durch dazu Berechtigte ausgewertet werden. Doch eben da liegt der Hund begraben. Die Frage, wer Zugang zu den gesammelten Daten haben darf und wer nicht, sorgt für hitzige Debatten. Big Data ist auch ein Phänomen, dass die Automobilbranche stark betrifft, denn der Pkw ist vor allem zu einem geworden: einem Datensammler auf vier Rädern.

Wo knallt es als nächstes?

Autohersteller Ford ist ein Beispiel für einen ambitionierten „Datensammler“. Der Konzern testet gerade mittels Big-Data-Analysen, welche Straßenabschnitte potenziell gefährlicher sind als andere. Neue Erkenntnisse soll eine insgesamt zweijährige Studie bringen. Darin wird geprüft, wie vernetzte Ford-Fahrzeuge dazu beitragen können, das Autofahren in Städten entspannter und sicherer zu gestalten. Erste Verbesserungsmaßnahmen wurden bereits an Straßen und Kreuzungen im Großraum London festgemacht.

Darauf aufbauend wurden die mittels vernetzter Fahrzeuge gewonnenen Daten mit Unfalldaten aus der Vergangenheit korreliert. Auf diese Weise konnte ermittelt werden, auf welchen Straßenabschnitten künftig am wahrscheinlichsten Verkehrsunfälle erwartet werden können. Diese „versteckten“ Gefahrenschwerpunkte wären durch herkömmliche Unfallprotokolle möglicherweise nicht identifiziert worden, heißt es seitens des Autoherstellers.

"Es ist wohl kein Zufall, dass beim Auswerten von Brems- und Lenkmanövern auch Hinweise auf schlecht erkennbare Verkehrszeichen sowie auf Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gefunden wurden", sagte Amanda Wickens, Managing Director, Traffic Watch UK. Für Wickens steht fest, dass vernetzte Technologien und die Analyse von Fahrzeugdaten Verkehrsunfälle in Zukunft reduzieren könnten.

Ford diskutiert derzeit die Empfehlungen aus dem Forschungsprogramm mit den zuständigen lokalen Behörden. Zu den Vorschlägen gehören die Einführung von "Starenkästen" zur Abschreckung von Ampelsündern, das Zurückschneiden der Vegetation, um sicherzustellen, dass die Beschilderung der Straße deutlich sichtbar ist, bei Bedarf eine bessere Beschilderung, die Ausbesserung von Fahrbahnschäden sowie die Sicherstellung angemessener Spurbreiten.

Kfz-Sachverständige sehen Big-Data kritisch

Im Fahrzeug wird von der Routenplanung bis hin zum Ölstand so gut wie alles aufgezeichnet - vieles davon wird dann von den Autoherstellern genutzt. Doch das Thema bereitet gerade den freien Werkstätten und Kfz-Sachverständigen Sorgen. Sie fürchten, den Kürzeren zu ziehen und keinen ausreichenden Zugriff auf Daten zu erhalten, die eigentlich Relevanz für sie besitzen hätten.

„Die Zeiten, in denen man an seinem Fahrzeug noch selbst etwas reparieren konnte, sind eigentlich längst vorbei“, drückt die deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger (KÜS) drastisch aus. Inzwischen habe die Elektronik das Regiment weitestgehend übernommen und damit steigt die Datenmenge permanent an, heißt es seitens des KÜS.

Vor allem im Hinblick auf den zunehmenden Einsatz moderner Fahrerassistenzsysteme und die Entwicklung hin zum automatisierten und vernetzten Fahren. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Prüfeinrichtungen im Sinne der gesetzlich vorgeschriebenen Fahrzeugüberprüfung Zugang zu den relevanten Daten haben müssen.

Die Geschichte wiederholt sich

In den 1980er und 1990er Jahren wurden die ersten elektronischen Systeme in neuen Fahrzeugen verbaut. Nur der Autohersteller konnte damals die Daten dieser Systeme pflegen und auslesen - und auch nur die seiner eigenen Modelle. Durch die Verschärfung der Abgasgrenzwerte wurden die Schnittstelle und die Datenformate normiert, sodass in der Folge über die gesetzlich vorgeschriebene OBD-Buchse (On Board Diagnostic) relevante Werte auch bei der Abgasuntersuchung zur Hauptuntersuchung ausgelesen werden konnten.

Allerdings sind meistens nur diese Daten in der für die Überwacher "lesbaren" Sprache vorhanden, andere Informationen sind häufig herstellerspezifisch formatiert. Für sie ist dann eine spezielle Übersetzung notwendig, an der unter anderem auch die KÜS arbeitet. Aus Gründen der Cybersicherheit beginnen einige Hersteller, die nicht gesetzlich geregelten Informationen zu verschlüsseln, um den Zugriff auf die Schnittstelle und die Daten gegen den Zugriff Unberechtigter zu unterbinden.

Cybersicherheit als Vorwand

Als Argument für diese Verschlüsselung dienen Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, bei denen es zum Beispiel über einen Fehler im Infotainmentsystem möglich war, den Motor während der Fahrt zu stoppen. Der KÜS geht jedenfalls davon aus, dass alle Fahrzeughersteller ihre Daten verschlüsseln werden.

Deshalb auch der vehemente Appel, dass allen Fahrzeug-Überwachungsinstitutionen der Zugang zu den prüfungs­relevanten Daten ermöglicht wird. "Wir sehen bei den sehr schnell voranschreitenden Technologien im Bereich des automatisierten Fahrens Handlungsbedarf. Die Überprüfung der Fahrzeuge durch die Prüforganisationen muss möglich sein", betont Peter Schuler vom KÜS.

Doch selbst für die Autokonzerne gibt es in Sachen Big Data mittlerweile einen Wehrmutstropfen: Internetriesen wie Google, Amazon und Co. finden zusehends neue Wege, Daten für eigene Zwecke an den Autokonzernen vorbeizuschleusen. Immerhin produziert ein modernes Auto schon jetzt bis zu 25 GB Daten pro Stunde.

Der KÜS formuliert folgende Forderungen:

Die Forderung nach einem freien, uneingeschränkten Zugang zu allen Fahrzeugdaten, die für die gesetzlich geregelten Fahrzeugprüfungen und deren Weiterentwicklung notwendig sind.

Die übermittelten Daten müssen zwingend unverfälscht sein. Hierbei geht es auch um Unfalldaten. Diese weisen etwa den Sachverständigen auf eventuelle Vorschäden hin und vermitteln einen konkreteren Blick auf die technische Beschaffenheit des Fahrzeuges über das gesamte Autoleben.

Die Datenhoheit muss beim Fahrzeughalter liegen. Daher ist ein Datenmonopol der Hersteller kontraproduktiv, es enthält allen mit dem Fahrzeug Befassten wichtige Daten vor.

Die Systeme müssen über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges geprüft werden können. Inzwischen ist eine Anpassung der Daten durch die Hersteller auch ohne Werkstattaufenthalt möglich. Mit dem sogenannten Over-the-Air-Verfahren können Funktionen und Daten geändert werden, ohne dass der Halter oder andere davon etwas erfahren. Daher ist auch eine unabhängige Dokumentation und Überprüfung der aktuellen Softwareversionen und von Updatevorgängen unbedingt notwendig.

Es sollte die Möglichkeit einer zusätzlichen anlassbedingten Untersuchung geben. So können egal zu welchem Zeitpunkt auftretende Fehler in den Fahrassistenzsystemen und denen für Umwelt und Sicherheit entdeckt werden. Daraus resultiert ein Gewinn an Sicherheit. Mit Over-the-Air ist das kein Problem.

Ein Lösungsansatz für den Zugang zu Fahrzeugdaten ist aus Sicht des KÜS ein sogenanntes Trust-Center. Dort kann die Speicherung und Verwaltung über eine neutrale, von den Herstellern unabhängige Fahrzeugdatenplattform erfolgen. Diese soll von einer beliehenen, also hoheitlichen Stelle betrieben werden.

Zudem wird die Zertifizierung des gesamten Weitergabeprozesses von Fahrzeugdaten gefordert. Ausschließlich Befugte bekommen so Zugang zu den Daten der herstellerunabhängigen Fahrzeugdatenplattform. Eine Standardisierung wird mittelfristig angestrebt, ebenso die Verankerung in den internationalen Typgenehmigungsvorschriften von Fahrzeugen.