Technik : Motorentwicklung mit langer Tradition
Vor 120 Jahren präsentierte das Unternehmen Laurin & Klement aus Mladá Boleslav (Jungbunzlau) am 18. November 1899 erstmals Motorräder mit Einzylindermotoren, die im eigenen Haus entwickelt wurden. Nur wenige Jahre später folgten quer gelagerte Zweizylinder sowie die für die damalige Zeit einzigartigen Reihenvierzylinder.
Bereits 1905 debütierte mit der „Voiturette A“ das erste Automobil aus Mladá Boleslav. Schon bald bereicherten zahlreiche fortschrittliche Motoren für Kraftfahrzeuge, Flugzeuge und andere Einsatzzwecke das Portfolio des tschechischen Unternehmens, das nächstes Jahr sein 125-jähriges Jubiläum feiert.
Automobilproduktion mit langer Tradition
Auf Rennstrecken und im tagtäglichen Einsatz weltweit stellten die Eigenentwicklungen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis. Interessant: Die Kompetenz von Škoda Auto im Bereich der Elektromobilität reicht bis in das Jahr 1908 zurück.
"Škoda Auto gehört heute zu den ältesten Automobilherstellern der Welt und hat mit seinen innovativen Motorenentwicklungen weltweit über Generationen wesentlich zur Entwicklung der individuellen Mobilität beigetragen“, sagt Christian Strube, Vorstand für Technische Entwicklung bei Škoda Auto.
Im VW-Konzern spielt Škoda eine bedeutende Rolle bei der Motorenentwicklung und -produktion. Die in Mladá Boleslav gefertigten Triebwerke implementieren wir in verschiedene Fahrzeugtypen und -plattformen des Konzerns. Mehr als jeder fünfte im Konzern verbaute Motor wurde bei Škoda Auto entwickelt."
Motorenfertigung begann mit einem Einzylindermotor
Im Frühling 1899, nicht einmal vier Jahre nach Gründung der Gesellschaft Laurin und Klement, wurde das Fahrradangebot um einen Zusatzbenzinmotor ergänzt. Bereits am 18. November 1899 stellte das junge Unternehmen ein Motorrad mit selbst konstruiertem Motor vor: den Slavia Typ A in verschiedenen Leistungsstufen von 1,25 PS beziehungsweise 1,75 PS.
Konstrukteur Václav Laurin entwarf auch eine innovative elektrische Zündung und einen eigenen Vergaser. 1902 entstand der Prototyp BB mit einem quer im Rahmen gelagerten Zweizylindermotor, im darauffolgenden Jahr begann die Produktion des Typs CC in V2-Bauweise. Zudem produzierte das Unternehmen auch wassergekühlte Motoren.
Im September 1904 wurde ein Lizenzvertrag für die Herstellung von L&K Motoren in Dresden unter der Marke „Germania“ unterzeichnet. Im gleichen Jahr entstand eines der weltweit ersten Motorräder mit Vierzylindermotor, der Laurin & Klement Typ CCCC mit vier gekoppelten Einzylindereinheiten.
Mit der technischen Weiterentwicklung des Motors im Jahr 1905 verfügte er bereits über eine gemeinsame Kurbelwelle, das Hinterrad wurde statt durch einen Lederriemen mit einer Metallkette angetrieben. Die Ära der Motorräder von Laurin & Klement, die sich bis 1910 fortsetzte, fand im Frühling 1905 ihren Höhepunkt, als L&K die inoffizielle Weltmeisterschaft im französischen Dourdan gewann.
Transformation vom Motorrad zum Automobil
Im April 1905 wurde in Prag erstmals ein Automobilmotor aus Mladá Boleslav präsentiert, der im Herbst in der L&K Voiturette A zum Einsatz kam, dem ersten Auto der Marke. Der wassergekühlte V2/55-Grad-Motor der Einliter-Klasse hatte eine Leistung von 5,2 kW (sieben PS). In den folgenden beiden Jahren wurden auch Reihenmotoren mit zwei und vier Zylindern entwickelt.
Der Reihenachtzylinder des Typs FF (1907) war der erste seiner Art in Mitteleuropa und ein Ergebnis dieser Entwicklung. Die Zusammenarbeit mit dem Erfinder Frantisek Krizik mündete in einem Hybridfahrzeug auf Basis des Typ E mit zwei Gleichrichter-Elektromotoren. Zu den Höhepunkten der L&K Ära gehörten der Rennmotor FCR mit einem extremen Hub von 250 mm (1909) und der Vierzylindermotor EL, mit dem im April 1910 das erste Flugzeug mit tschechischer Besatzung von tschechischem Gebiet startete.
Neben Aggregaten für Fahrzeuge wurden in Mladá Boleslav auch stationäre Verbrennungsmotoren, Antriebseinheiten für motorgetriebene Pflüge und Generatoren hergestellt.
Großserienfertigung von Motoren ab 1929
In den 1920er-Jahren umfasste das Angebot von L&K/ Škoda zum Beispiel schiebergesteuerte Motoren sowie die Fahrzeugmodelle Škoda 4R und Škoda 6R mit Ricardo-Brennkammern. 1929 begann in Mladá Boleslav die Fließbandproduktion von Motoren; das Topmodell im Angebot war der Škoda 860 mit Reihenachtzylindermotor und neunfach gelagerter Kurbelwelle. Generalreparaturen an der neuen Generation von Fahrzeugen wurden durch die Stahlbuchsen der Zylinder erleichtert, die zunächst „trocken“ und später (1937) „nass“ gekühlt wurden.
Das Jahr 1937 bedeutete für Škoda auch den Übergang von der SV Ventilsteuerung auf OHV. Das Flaggschiff war der von einem Reihensechszylinder angetriebene Škoda SUPERB. In limitierter Stückzahl wurden auch Modelle mit 4,0-Liter-V8 gebaut (1939). Darüber hinaus entwickelte Škoda auch preisgünstige und sehr beliebte Einliter-Vierzylinder-Motoren. Mit ihrer konsequenten Weiterentwicklung legte Škoda den Grundstein für zuverlässige Motoren in der Nachkriegszeit.
Erste Motoren in Aluminium-Druckguss
Eine revolutionäre Änderung für den tschechischen Automobilhersteller brachte der Motor des Škoda 1000 MB. Sein Motorblock wurde nach ursprünglich tschechischem Patent in Aluminium-Druckguss hergestellt, dadurch konnte das Gesamtgewicht des Motors sehr geringgehalten werden.
Diese fortschrittliche Fertigungstechnologie bewährte sich auch im Motorsport, etwa im Škoda 130 RS, der bei der Rallye Monte Carlo im Jahr 1977 seine Klasse gewinnen konnte. Das innovative Motoren- und Produktionskonzept wurde auch nach der Einführung der neuen Generation von Škoda Fahrzeugen mit Frontantrieb, dem Škoda Favorit im Jahr 1987, beibehalten.
Motorenlieferung an andere Konzernmarken
Nach der Eingliederung von Škoda in den Volkswagen-Konzern im Jahr 1991 lieferte der Automobilhersteller aus Mladá Boleslav bereits ab 1997 Motoren an andere Volkswagen Konzernmarken. Die Antriebseinheiten aus eigener Konstruktion waren zunächst 1,0 Liter-Aggregate mit 37 kW (50 PS), im Jahr 2001 startete die Produktion von 1,2 HTP-Dreizylindermotoren, die auch in den Modellen VW Fox, VW Polo und Seat Ibiza zum Einsatz kamen.
Acht Jahre später folgte mit dem 1,2 TSI eine neue Generation wirtschaftlicher und umweltfreundlicher Vierzylindermotoren mit Direkteinspritzung. Am 4. September 2014 wurde in Mladá Boleslav das neue Motorenzentrum in Betrieb genommen, das die Kompetenz von Škoda Auto bei der Entwicklung von Antriebseinheiten weiter stärkt.
Einsatz von Motoren aus Mladá Boleslav auch in Mexiko, Indien und Afrika
Am Škoda Stammsitz in Mladá Boleslav laufen heute die Motoren des Typs EA 211 mit Hubräumen von 1,0 bis 1,6 Liter für den Einsatz in der EU sowie in Mexiko, Indien und Afrika vom Band. Jüngstes Aggregat ist der seit 2018 gebaute 1,0 MPI EVO mit Leistungswerten von 48 bis 59 kW (65 bis 80 PS).
Weltweit größter Produzent der MPI-Motoren ist China mit einem Anteil von rund 60 Prozent in den Werken in Shanghai, Changchun und Chengdu. Fahrzeuge für die Märkte in Süd- und Mittelamerika werden mit Motoren aus Brasilien ausgestattet, in Russland entstehen Aggregate für den lokalen Markt.
Die bei Škoda Auto in Mladá Boleslav entwickelten Drei- und Vierzylindermotoren mit MPI-Einspritzung werden weltweit mehr als zwei Millionen Mal pro Jahr produziert und verbaut. Alle von Škoda Auto entwickelten Triebwerke erfüllen die aktuellsten Anforderungen und Emissionsvorschriften des jeweiligen Bestimmungslandes.
Ihr großes Fachwissen unterstreichen die Škoda Ingenieure auch mit der Beteiligung an der Entwicklung des Rennsportmotors für das erfolgreiche Rallye-Fahrzeug Škoda Fabia R5. Von Škoda Auto entwickelte Motoren kommen darüber hinaus in zahlreichen weiteren Anwendungsbereichen zum Einsatz und werden etwa für Feuerspritzen oder Pumpen genutzt.
Umfassender Entwicklungs- und Testprozess bis zum Serieneinsatz
Der Entwicklungsprozess moderner Motoren ist hochkomplex. Nach der Konzeptionsphase und dem anschließenden ersten Entwurf folgen Simulationen und Berechnungen sowie der Bau von Prototypen. In zahlreichen Funktionstests werden anschließend wichtige Eigenschaften der Konstruktion wie beispielsweise eine gute Akustik überprüft.
Experten kümmern sich im Anschluss um die notwendige Software sowie die Programmierung der Steuereinheit. Anhand von Langzeit- und Fahrtests in allen Klimazonen werden Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der weltweit zum Einsatz kommenden Motoren ausgiebig getestet.
Anschließend prüfen Škoda Ingenieure die Aggregate auf ihr Emissionsverhalten und führen eine Homologation durch, dann erfolgt die Freigabe für die Serienproduktion. Der letzte Schritt des Entwicklungsprozesses ist die Implementierung der Motoren in den verschiedenen Plattformen des Konzerns. Neben Benzinmotoren entwickelt Škoda auch Bio-Ethanol- und Erdgasaggregate (CNG).
Meilensteine in der 120-jährigen Geschichte der Entwicklung und Herstellung von Motoren in Mladá Boleslav:
1895: Gründung des Unternehmens Laurin & Klement
1899: Ergänzung des Fahrradangebots um einen Zusatzbenzinmotor und Einführung der ersten vollwertigen Motorräder der Marke
1905: Vorstellung des ersten Automobils aus Mladá Boleslav: der L&K Voiturette A mit 1,0-Liter-V2-Motor
1907: Erster Reihenachtzylinder-Motor seiner Art in Mitteleuropa: der Laurin & Klement "FF"
1908: Erstes Hybridfahrzeug von L&K auf Basis des Typs E
1910: Erster L&K Flugzeugmotor EL
1925: Fusion von L&K mit dem Pilsener Konzern Škoda zur Sicherung von Kapital für weitere Expansion
1937: Übergang zur Ventilsteuerung OHV
1938: Einführung „nasser“ Zylinderbuchsen
1964: Einliter-Vierzylindermotor für den Škoda 1000 MB mit in Aluminium-Druckguss-Verfahren hergestelltem Motorblock, Beginn der Ära der Škoda Fahrzeuge mit Heckmotor (1964 - 1990)
1987: 1,3 Liter-Vollaluminiummotor, quer eingebaut im Škoda Favorit mit Frontantrieb
1991: Škoda wird Teil des Volkswagen Konzerns
1997: Škoda beliefert andere Konzernmarken mit 1,0-Liter-Vierzylindermotoren aus Aluminium
2001: Start der Produktion von 1,2 HTP-Motoren
2009: Beginn der Produktion der 1,2 TSI-Turbomotoren
2014: Eröffnung des neuen Motorenzentrums in Mladá Boleslav